Freitag, 8. März 2013

Zusammenlegen von frisch operierten Patienten mit Patienten mit Durchfall/respiratorischem Infekt

Folgende Anfrage hat uns erhalten:


"Sehr geehrter Herr......,
 
Da in unserem Hause aufgrund erhöhter Patientenfallzahlen und begrenzten Ressourcen ein Patietenkoordinator eingesetzt worden ist, kommt es vermehrt zur Durchmischung von Patienten verschiedener Fachrichtungen. Neben den daraus resultierenden logistischen Problemen haben wir Bedenken, Patienten mit evt. infektiösen Erkrankungen neben chirurgische, zumeist operierte Patienten zu legen.
 
So haben wir einen Behandlungspfad entworfen, der vorsieht, daß Patienten, die aufgrund unklarer Diarrhoen oder mit produktivem Auswurf aufgenommen werden, nicht neben operierte Patienten, die per se immunsupprimiert sind, gelegt werden. Die "üblichen", im Hygieneplan festgeschriebenen Erkrankungen (MRSA, ESBL, Tbc, Noro, Varizellen, Clostridien usw.) werden natürlich entsprechend isoliert bzw. Schutzmaßnahmen eingeleitet. Uns sorgt aber vielmehr der Patient, der zunächst nur mit einem Symptom (Klassiker: eben die unklare Diarrhoe oder der Pneumonieverdacht) aufgenommen und dann als Außenlieger in die Chirurgie gelegt wird und dessen Keimspektrum bei Aufnahme unklar ist.
 
Eine erhöhte Inzidenz von Wundinfektionen ist bei der Mischbelegung nicht zu vermuten, jedoch muß eine Inzidenz von Infektionen bei prinzipiell abwehrgeschwächten Patienten vermutet werden (was häufig auch bereits von den betroffenen Patienten geäußert wird). Unser beratender Krankenhaushygieniker hat außer der Feststellung, daß erhöhte Wundinfektionsraten unter Beachtung der normalen aseptischen Maßnahmen und Händehygiene nicht zu erwarten seien, keinen Handlungsbedarf gesehen.
 
Daher würden wir uns über kompetente Hilfe aus der Arbeitsgruppe und über Ihre Rückmeldung freuen. Sicher sind wir nicht einzige Abteilung, die mit ähnlichen Problemen zu tun hat.
 
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
....."


Nach Literaturrecherche und interdisziplinärer Diskussion mit hochrangigen Fachvertretern insbesondere aus der Hygiene geben wir folgendes Statement zu dem beschriebenen Problem ab:

Zunächst eine grundlegende persönliche Bemerkung:

In den Zeiten zunehmend ökonomisierter Behandlungsabläufe, kürzerer Liegezeiten, hohen Patientenumsätzen und sukzessivem Bettenabbau ist das von Ihnen beschriebene Szenario mit zentralem Bettenmanagement und "Veratmen" von Patienten über unterschiedlichste Fachbereiche ein erhebliches und in der Zukunft sicher zunehmendes Problem. Sie erwähnen die damit verbundenen "logistischen" Probleme nur im Nebensatz (was Sie ehrt...), ich möchte an dieser Stelle aber durchaus betonen, dass ein Patient, der sein Zimmer in einem "fremden" Fachbereich hat, zwangsläufig schlechter medizinisch betreut wird (fehlende Erfahrung des Pflegepersonals mit der Erkrankung und den spezifischen Abweichungen vom Normalverlauf, unklare Zuordnung und Verantwortlichkeit bei der medizinischen Betreuung, örtliche Distanz vom ärztlichen "Behandlungsführer", Gefahr des Vergessens von Patienten, die nicht automatisch im Rahmen der Routinevisite gesehen werden). Wir sollten uns fragen, ob wir auf Dauer bereit sind, solche Zugeständnisse an die Ökonomisierung der Medizin zuzulassen..... 

Aus infektiologischer und hygienischer Sicht bedeutet eine solche Bettenpolitik in jedem Fall, dass unerkannt eingetragene Infektionen sich in kurzer Zeit über das ganze Haus verbreiten könnten, da auf jeder Station und in jedem Bereich eine hohe Fluktuation von Patienten und Personal herrscht, die wiederum regelmäßigen Kontakt zu anderen Bereichen haben.  


Doch zu Ihrer Frage:

Es gibt unterschiedliche Modelle nach denen eine Isolierung von Patienten erfolgen kann. Bei der Isolierung in Abhängigkeit von der Krankheit sind der Erreger und die Krankheit bekannt. Die Isolierungsempfehlung bezieht sich somit auf die definierte Erkrankung. Es hat sich herausgestellt, dass diese Art der Isolierung sich in der Praxis nur für wenige ausgewählte Erkrankungen eignet (z.B: TBC).

In vielen Fällen erscheint es sinnvoller, nach Kategorien zu isolieren. Diese berücksichtigen in erster Linie die Übertragungswege von Erkrankungen. Insbesondere können auf diesem Wege auch Patienten mit Symptomen erfasst werden, bei denen eine infektiöse Erkrankung wahrscheinlich ist, ein Erregernachweis aber noch nicht vorliegt. Insgesamt wird empfohlen, insbesondere bei Durchfallerkrankungen und respiratorischen Infekten Maßnahmen zu ergreifen, die bis zur endgültigen Diagnosestellung die Verbreitung der am häufigsten in Frage kommenden Erreger zu verhindern.


Wie schon vorab kurz berichtet, ist sowohl der unklare respiratorische Infekt, als auch die unklare Diarrhoe jeweils eine potenziell übertragbare und damit isolationspflichtige Erkrankung. Folgende Empfehlungen werden in der 2. Auflage des Buchs Krankenhaus- und Praxishygiene (Kramer 2012) gemacht:

Maßnahmen bei aerogen übertragbaren Keimen (unabhängig v. Keimnachweis!):

Ggf. Einzelzimmer
Ggf. Schleuse
Räumliche Bedingungen: Einzelzimmer oder Kohortenpflege in einem Zimmer, das möglichst einen Vorraum haben sollte, der als Schleuse fungiert. Türen stets geschlossen halten. Patient darf Zimmer nur in Ausnahmefällen und dann nur mit Mund-Nasen-Schutz verlassen
Schutzkleidung: situationsabhängig Schutzkittel, Kopfschutz, Mund-Nasen-Schutz und Einmalhandschuhe bei Kontakt mit infektiösem Material oder kontaminierten bzw. infizierten Körperregionen und erregerhaltigen Körperflüssigkeiten
Vor Verlassen des Zimmers: Schutzkleidung im Vorraum oder im Zimmer nahe der Tür ablegen. Handschuhe, Kopf- und Mund-Nasen-Schutz in Abfallbehälter entsorgen, Kittel entweder in den Wäschebehälter geben oder mit der Innenseite nach außen für erneuten Gebrauch aufhängen. Hygienische Händedesinfektion. Entsorgungsgüter: falls nicht schon im Zimmer desinfiziert, nur in dichter Verpackung aus dem Zimmer bringen

Maßnahmen bei fäkal-oral übertragbaren Erkrankungen (insbesondere auch Durchfall mit unbekanntem Erreger!):

Separate Toilette
Einzelzimmer nicht zwingend
Schleuse nicht notwendig
Schutzkleidung: Kittel und Einmalhandschuhe bei Kontakt mit infektiösem Material oder kontaminierten bzw. infizierten Körperregionen und erregerhaltigen Körperflüssigkeiten
Vor Verlassen des Zimmers: im Zimmer Schutzkleidung ablegen, Handschuhe in den Abfallbehälter werfen, Kittel entweder in den Wäschebehälter geben oder mit der Innenseite nach außen für erneuten Gebrauch aufhängen, hygienische Händedesinfektion unmittelbar nach Verlassen des Zimmers vor Berühren anderer Flächen, Armaturen o.ä. durchführen
Entsorgungsgüter: falls nicht schon im Zimmer desinfiziert, nur in dichter Verpackung aus dem Zimmer bringen

Entsprechend können Sie sehr wohl argumentieren, dass solche Patienten nicht mit frisch operierten Patienten zusammengelegt werden sollten (die tatsächlich und anerkanntermaßen immunsupprimiert sind). Allerdings bezieht sich das Argument nicht auf die Wundinfektion, die aus meiner Sicht durch die nebenan liegenden Patienten bei "normalen" Hygienemaßnahmen tatsächlich nicht wesentlich erhöht sein sollten, sondern auf das Infektionsrisiko der Durchfall- oder Pneumonieerkrankung als solche, die Patienten (bei denen schließlich immer noch zusätzlich eine spezifische postoperative Komplikation folgen kann), dann im Zweifel wirklich vital bedrohen kann.

Ich hoffe, wir haben Ihnen mit der Antwort geholfen. Über Kommentare zu diesem Post würden wir uns sehr freuen.....


mfg……